Die Schweiz setzt seit Jahren auf ein innovatives System zur leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe (LSVA), das zur Reduktion des Transitverkehrs, zum Schutz der Alpen sowie zur verursachergerechten Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur beiträgt. Doch auch ein bewährtes System muss sich mit der Zeit weiterentwickeln. Die aktuelle Version der LSVA, auch bekannt als LSVA II, ist technisch und strukturell in die Jahre gekommen und erreicht bald das Ende ihres Lebenszyklus. Deshalb arbeitet die Schweiz intensiv an einer umfassenden Erneuerung: LSVA III, das neue System zur Erhebung der Abgabe, muss bis spätestens Ende 2025 vollständig in Betrieb sein.
Doch was genau ändert sich mit dieser Erneuerung? Warum ist ein neues System notwendig? Und wie sieht die künftige Fahrleistungserfassung für Transportunternehmen und Fahrzeughalter konkret aus? Wir geben einen umfassenden Überblick über das neue Systemkonzept, seine Hintergründe und die praktischen Veränderungen, die damit einhergehen.
Die erste Version der LSVA wurde 2001 eingeführt, mit dem Ziel, die Umweltbelastung durch den Schwerverkehr zu verringern und gleichzeitig eine gerechte Kostenbeteiligung für die Benutzung der Verkehrsinfrastruktur zu schaffen. Die LSVA II, das aktuelle System, basiert auf Technologien, die mittlerweile veraltet sind. Die Erfassungsgeräte müssen in autorisierten Werkstätten installiert und regelmässig gewartet werden. Für Fahrzeughalter bedeutet dies zusätzlichen Aufwand, und auch der Bund ist mit steigenden Betriebskosten konfrontiert. Zudem hat die Digitalisierung in der Mobilitätsbranche grosse Fortschritte gemacht, die das bestehende System nicht mehr abbilden kann. Diese Entwicklungen führten zur Entscheidung, ein neues, moderneres System zu schaffen.
Das zentrale Element der LSVA III ist der Paradigmenwechsel von einem gerätebasierten zu einem serviceorientierten System. Statt wie bisher den Fokus auf die Definition und Bereitstellung eines spezifischen Erfassungsgeräts zu legen, konzentriert sich das neue Konzept auf die Qualität der zu übermittelnden Daten. Die Fahrzeughalter beziehen ihre Erfassungsdienste künftig von privaten Anbietern, sogenannten Providern. Diese sind dafür verantwortlich, die erforderlichen Fahrleistungsdaten zu erheben und in einer festgelegten Form an das Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit (BAZG) zu übermitteln.
Diese neue Architektur ermöglicht mehr Flexibilität, da sich der Bund nicht mehr auf bestimmte Technologien festlegt, sondern Anforderungen an die Daten und deren Übermittlung formuliert. Die Erfassung der Fahrleistung wird dadurch zu einer Dienstleistung, die marktgerecht angeboten werden kann. Durch diesen Ansatz wird das System offen für technologische Entwicklungen und neue Geschäftsmodelle, die insbesondere durch die Digitalisierung begünstigt werden.
Das neue System sieht zwei zentrale Erfassungsdienste vor: den nationalen elektronischen Mautdienst NETS und den europäischen elektronischen Mautdienst EETS. Beide Dienste basieren auf dem neuen serviceorientierten Ansatz, unterscheiden sich jedoch in ihrer Zielgruppe und Funktion.
NETS richtet sich in erster Linie an inländische Fahrzeughalter. Dieser Dienst garantiert die Grundversorgung bei der Erfassung der Fahrleistung. Besonders nutzerfreundlich ist, dass kein Einbau eines speziellen Erfassungsgeräts in einer Werkstatt mehr erforderlich ist. Stattdessen können einfache digitale Lösungen verwendet werden, etwa mobile Anwendungen oder Telematikdienste. Der Bund verpflichtet einen Anbieter, NETS als kostenfreien Basisdienst anzubieten. Weitere Anbieter dürfen NETS-Dienste nur anbieten, wenn sie zuvor ein Zulassungsverfahren beim BAZG erfolgreich durchlaufen haben. Damit wird sichergestellt, dass alle Angebote den Anforderungen an Qualität und Datensicherheit entsprechen.
EETS, der European Electronic Toll Service, wurde bereits 2021 in der Schweiz eingeführt. Dieser Dienst ermöglicht eine einheitliche Mauterfassung über Landesgrenzen hinweg. Für internationale Transportunternehmen ist dies von grossem Vorteil, da sie nur noch einen Vertrag und ein System benötigen, um mehrere europäische Mautsysteme zu nutzen. In der LSVA III wird EETS insbesondere für ausländische Fahrzeuge relevant, da es das bisherige manuelle Abfertigungssystem an den Grenzübergängen schrittweise ablöst. Zukünftig sollen jedoch auch inländische Unternehmen die Möglichkeit haben, EETS zu verwenden. Auch für EETS-Provider ist eine Zulassung durch das BAZG erforderlich.
Unabhängig davon, ob die Fahrzeughalter NETS oder EETS nutzen, bleibt das Inkasso der LSVA staatlich organisiert. Das Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit ist weiterhin zuständig für die Verrechnung und den Einzug der Abgabe. Die Erfassungsdienste liefern lediglich die erforderlichen Daten, während die finanzielle Abwicklung zentral erfolgt. Diese Trennung sorgt für Transparenz und klare Zuständigkeiten, was das Vertrauen in das System stärkt.
Die Umstellung auf LSVA III bringt zahlreiche Vorteile mit sich. Zum einen profitieren die Fahrzeughalter von einer grösseren Auswahl an Erfassungsdiensten. Sie können den Anbieter wählen, der am besten zu ihren Bedürfnissen passt. Zum anderen reduziert sich der technische und administrative Aufwand erheblich. Der Verzicht auf fest installierte Geräte und Werkstattbesuche spart Zeit und Geld.
Moderne Erfassungsgeräte
Die bisherigen Emotach-Geräte werden durch neue, intelligente Geräte ersetzt, welche die Fahrdaten automatisch und zuverlässig übermitteln. Das Einsenden von Chipkarten entfällt vollständig.
Kein Werkstattaufenthalt mehr notwendig
Die neuen Geräte können eigenständig eingebaut werden. Damit entfällt der Aufwand für Werkstatttermine zur Installation oder Wartung im Zusammenhang mit der LSVA.
Ein Gerät für In- und Ausland
Durch die Kompatibilität mit dem European Electronic Toll Service (EETS) können Fahrten im In- und Ausland mit einem einzigen Gerät erfasst und abgerechnet werden.
Mehr Wahlfreiheit durch Marktöffnung
Dank der Öffnung für verschiedene Anbieter können Fahrzeughalter künftig aus mehreren Erfassungsdiensten wählen und den Service nutzen, der am besten zu ihren Bedürfnissen passt.
Reduzierter administrativer Aufwand
Die Deklarationsprozesse werden digitalisiert und vereinfacht. Auch Rückerstattungen lassen sich effizienter abwickeln, was insbesondere für Flottenbetreiber spürbare Entlastung bringt.
Flexibilität und Zukunftssicherheit
Das System ist technologisch offen, lässt sich einfach an neue Entwicklungen anpassen und fördert langfristig Innovationen durch Wettbewerb unter den Anbietern.
Darüber hinaus verbessert die Integration von EETS die internationale Anschlussfähigkeit des Schweizer Mautsystems. Besonders für Transportunternehmen mit grenzüberschreitender Tätigkeit ist dies ein bedeutender Schritt in Richtung Harmonisierung und Vereinfachung.
Die Umstellung auf das neue System ist komplex und erfordert ein sorgfältiges Vorgehen. Die gesetzlichen Grundlagen müssen angepasst, die technischen Schnittstellen definiert und die Zulassungsverfahren für die Anbieter gestaltet werden. Auch müssen bestehende Nutzer informiert und geschult werden, damit der Übergang reibungslos gelingt. Gleichzeitig muss das neue System höchste Anforderungen an Datenschutz und Datensicherheit erfüllen. Der ambitionierte Zeitplan sieht vor, dass die Umstellung bis Ende 2025 abgeschlossen ist. Ob dieses Ziel erreicht wird, hängt massgeblich von der Zusammenarbeit aller beteiligten Akteure ab.
Mit der Einführung der LSVA III stellt die Schweiz die Weichen für ein zukunftsfähiges, effizientes und technologisch modernes Mautsystem. Der Wandel vom gerätebasierten zum dienstleistungsorientierten Modell trägt den Entwicklungen im Mobilitäts- und Transportsektor Rechnung. Gleichzeitig bleibt das Prinzip der verursachergerechten Finanzierung erhalten, was aus ökologischer und ökonomischer Sicht weiterhin von grosser Bedeutung ist.
Das neue System ist offen, flexibel und auf lange Sicht tragfähig. Es bietet der Schweiz die Möglichkeit, ihre Vorreiterrolle im Bereich der nachhaltigen Verkehrspolitik weiter auszubauen und gleichzeitig die administrativen Hürden für Wirtschaft und Verwaltung zu senken.
Die wichtigsten Zahlen auf einen Blick. Machen Sie Gutes daraus.